Die Maan Jee School

Die Maan Jee School

Für ein Kind aus dem Armenviertel ‚Nusrat Bhutto Colony‘ ist die Maan Jee School ein Ort, der Hoffnung gibt.

Ziele der Maan Jee School

Frau Bilgrami formulierte für die Maan Jee School die bis heute geltenden Ziele:

  1. Bildung zu vermitteln, die Aufgeschlossenheit und Verantwortungsbewusstsein fördert
  2. Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Mädchen aus den umliegenden Gemeinden, die einen Bachelor-Abschluss haben, indem sie zu Lehrerinnen ausgebildet werden
  3. Die Maan Jee School als Bürgerzentrum zu nutzen, in dem monatliche Treffen der Mütter der SchülerInnen abgehalten werden, um gemeinschaftliche und persönliche Themen zu anzusprechen.

Film ‚Bilgrami’s Maan Jee School‘

Maan Jee Welfare Secondary School 2021

Im Schuljahr 2021 besuchten 424 SchülerInnen die MJWSS, davon waren 235 weiblich (56 %).
Drei körperlich behinderte SchülerInnen besuchten Prep1, Klasse 4 und Klasse 6. Die monatlichen Schulgebühren betragen 200 PKR (ca 1 €), 40 SchülerInnen wurde aufgrund guter Leistung 100% der Gebühren erlassen, 15 SchülerInnen bezahlten als Geschwister nur die Hälfte. Die SchülerInnen ab der Vorschule (5 Jahre) bis zu Klasse 10 gehören acht verschiedenen Ethnien an, die zuhause jeweils ihre eigene Sprache sprechen: die Landessprache Urdu/51, Pashto/172, Sindhi/10, Balochi/4, Punjabi/45, Saraiki/69, Kashmiri/24, Hindko/49.

Are you sleeping brother John?


Der Unterrichtet an der MJWSS findet in Urdu und Englisch statt, den beiden Amtssprachen des Landes.
Die Eltern entscheiden sich für die MJWSS, weil mögliche andere Privatschulen weiter von ihrem Wohnort entfernt sind, was zusätzliche Transportkosten verursachen würde. Hinzu kommt auch, dass die Schulgebühren dort meist wesentlich höher sind.

MJWSS 2019

Immer mehr Mütter und Väter von Schülerinnen und Schülern der MJS sind heute von der Wichtigkeit einer guten Schulbildung überzeugt. Mädchen werden ebenso wie Jungen zur Schule geschickt. Die finanzielle Situation der Familien ist oft prekär. Nur in wenigen Familien des Armenviertels hat ein Elternteil eine feste Anstellung. In Pakistan gibt es keine Krankenversicherung. Um z.B. eine erforderliche Operation bezahlen zu können, muss ein Kredit aufgenommen werden. Fällt der Verdienst von Vater oder Mutter aus, kommt es zu einer weiteren möglichen Notsituation . Dann werden Kinder schon ab Klasse 7 von der Schule abgemeldet, weil sie zum Familieneinkommen beitragen müssen.

Erfreulicherweise äußern heute Mütter von SchülerInnen gegenüber der Schule häufiger den Wunsch, selbst lesen, schreiben und rechnen zu lernen, auch um ihre Kinder besser unterstützen zu können.

An der Maan Jee School wird viel Wert auf Zusammenarbeit mit Müttern und deren Beratung gelegt. Regelmäßig finden Treffen statt. Im Gegensatz zur Praxis an staatlichen Schulen ist die in Pakistan noch durchaus übliche Prügelstrafe an der MJWSS verboten.

Politischer Rahmen

1973 verankerte die pakistanische Regierung das Recht auf Bildung in ihrer Verfassung:

§ 25 A – Recht auf Bildung:

„Der Staat stellt allen Kindern im Alter von fünf bis sechzehn Jahren unentgeltlichen und obligatorischen Unterricht in der durch Gesetz festgelegten Form zur Verfügung.“

Pakistanische Verfassung

Dieses verfassungsmäßige Recht auf Bildung ist jedoch auch heute noch nicht verwirklicht. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen gibt es in den Armenvierteln der Großstädte und in vielen ländlichen Gegenden, in denen teilweise noch feudale Strukturen herrschen, keine oder zu wenig staatliche Schulen.

Privatschulen erheben Gebühren, die die arme Bevölkerung nicht bezahlen kann. Sie gehen meist auf Gründungen während der britischen Kolonialzeit zurück.

Allerdings gibt es seit Jahren auch landesweit vielfältige Vereine und Organisationen die versuchen, die Versäumnisse der Regierung auszugleichen. Sie setzen sich tatkräftig durch ein Angebot an teilweise kostenlosen Schulen für die Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten für alle Kinder ein.

Thementag: Gesunde Ernährung

Zwar hat sich so die Bildungssituation in den vergangenen Jahren etwas verbessert, dennoch verlassen nach wie vor zu viele Kinder die Schule vorzeitig oder besuchen gar keine Schule. Die Analphabetenquote der Erwachsenen liegt in Pakistan bei 42 Prozent, bei Frauen sogar bei 53,5 Prozent.

Karachi als Zufluchtsort

Sonnenuntergang in Karachi

1979 bis 2021 herrschten in Afghanistan kriegerische Auseinandersetzungen. Bis 1989 führte die Sowjetunion Krieg, danach entbrannte ein Bürgerkrieg. Die Taliban formierten sich bis 1994 und errangen 1996 die Kontrolle über die wichtigsten Regionen und Städte. Zwischen 2001 und 2021 intervenierten die USA in Afghanistan. Nach Abzug der NATO Truppen 2021 übernahmen die Taliban erneut die Macht. Durch diese jahrzehntelangen Kriege verloren 1,5 Millionen Menschen ihr Leben, zeitweise floh fast die Hälfte der Afghanen in die angrenzenden Länder Pakistan und Iran.

In den 1980er Jahren zog es viele dieser Flüchtlinge in die Metropole Karachi im Süden Pakistans. Auf der Suche nach Arbeit verdingten sie sich dort als Tagelöhner oder eröffneten kleine Geschäfte. Am Rand zur Wüste wurde ihnen im Stadtteil ‚North Nazimabad‘ ein Streifen Land zugewiesen, wo sie einfache Häuser erbauten.

Einkaufsstraße in Nusrat Bhutto Colony

Die Wohngegend ist als ‚Nusrat Bhutto Colony‘ bekannt. In dem Armenviertel fehlen bis heute vielfach noch die nötige Infrastruktur wie Zugang zu Wasser, Kanalisation, Strom- und Gasanschluss, ebenso wie öffentliche Gebäude, zum Beispiel Schulen und Krankenhäuser.

Viele der Flüchtlinge, die in den 1980/90er Jahren das Viertel erbauten, sind in ihre Heimat im Norden Pakistans zurückgekehrt. Heute wohnen in ‚Nusrat Bhutto Colony‘ mehrheitlich Familien aus unterschiedlichen Provinzen Pakistans, die auf der Suche nach Arbeit zugezogen sind.

Shamim Bilgrami – ihre Schule entsteht

„Die Bildung eines Mädchens erzieht eine ganze Familie“

Shamim Bilgrami
Shamim Bilgrami und Seema Asif zeichnen eine Schülerin aus

Die Sozialarbeiterin und Pädagogin Shamim Bilgrami stammt aus einer wohlhabenden Familie. Als junge Witwe und Mutter von drei Söhnen sah sie Ende der 1980er Jahre das Elend der Flüchtlingskinder auf den Straßen im neu entstehenden Armenviertel: Kinder ohne Zukunftsperspektiven. Mädchen lagen ihr besonders am Herzen.

Viele Wochen lang ging sie von Haus zu Haus und warb bei den Familienvätern darum, ihre Töchter unterrichten zu dürfen. Die Väter, selbst weitgehend ohne Schulbildung aufgewachsen, waren als Familienoberhäupter nur durch geduldige und wiederholte Gespräche davon zu überzeugen, dass auch Mädchen von einer Schulbildung profitieren, sowohl als künftige Ehefrauen, als auch als Mütter. Die teilweise starren Vorbehalte der Väter waren sowohl durch kulturelle als auch traditionell religiöse Vorstellungen bedingt. Sie mussten für die neue Idee erst gewonnen werden.

1991 konnte Frau Bilgrami ihre Bildungsarbeit mit sechs Mädchen auf einem Teppich vor einem Haus beginnen. Rasch sprach sich ihre gute Arbeit im Stadtteil herum und immer mehr Mädchen besuchten den Unterricht.

Frau Bilgrami erzählte 2013 rückblickend, dass einzelne Schülerinnen immer wieder Probleme in der Familie bekamen. Entweder konnten Väter und Brüder das veränderte Verhalten und Selbstbewusstsein, das die Tochter bzw. Schwester durch ihre Schulbildung erworben hatte, nicht akzeptieren oder sie sollten verheiratet werden. Die Spannungen in den Familien zum Thema ‚Bildung‘ führten teilweise zu Strafen, in einzelnen Fällen wurde den Mädchen der Schulbesuch verboten.

Women’s Literacy Drive

Am 31. Mai 1993 gründete Shamim Bilgrami den gemeinnützigen Verein ‚Women’s Literacy Drive‘. Sie erhoffte sich Hilfe bei der Finanzierung der Schule, die bisher weitgehend von ihr und ihrer Familie getragen wurde.

Von Anfang an umfasste ihre Arbeit sowohl den Unterricht der Töchter als auch Mütterabende und soziale Stadtteilarbeit. Nachdem viele Familien Vertrauen zu ihr und ihrer Unterrichtsmethode gefasst hatten, die auf Inklusivität, Wertschätzung aller Ethnien und Religionen und auf Kreativität beruhte, baten immer mehr Mütter, auch die Brüder der Mädchen in die Schule aufzunehmen.

Ab 2013 besuchte Familie Nawaz Frau Bilgrami jährlich im Sommer in Karachi und führte viele Gespräche mit ihr über ihr Lebenswerk und ihre pädagogischen Vorstellungen. Bei einem der Besuche erzählte Frau Bilgrami, dass ein kleiner Junge sie nicht, wie sonst in Schulen üblich, mit ‚Madam‘ ansprechen, sondern lieber ‚Maan Jee‘ zu ihr sagen wollte. ‚Maan Jee‘ ist in der Landesprache Urdu ein respektvolles Wort für Mutter. Damit war ein Name für die Schule geboren.

2007 MOVE – Trägerverein der Maan Jee School

Aufgrund von Krankheit übergab Frau Bilgrami 2007 die Schule an MOVE. Von zuhause aus war sie noch einige Jahre in die Belange der MJS einbezogen.

Frau Seema Asif leitet seither die Schule.

Maan Jee School wird zu Maan Jee Welfare Secondary School

Im Schuljahr erhielt 2015/16 erhielt die MJS vom Bildungsministerium in Sindh die Genehmigung zur Einführung der 10. Klasse. So wurde die Maan Jee School (MJS) in Maan Jee Welfare Secondary School (MJWSS) umbenannt. Seither können Schülerinnen und Schüler die Abschlussprüfung nach Klasse 10 ablegen. Wenn sie anschließend an einer High School eine zweijährige Oberstufe besuchen, steht ihnen nach bestandenem ‚Abitur‘ der Zugang zu einem Studium offen.

Arbeiten in Physik- , Chemie-, und Biologielaboren der Schule

Informationen zur Schule auf der Website von MOVE: www.move.pakistan.org/education

2019 FoMJS e.V. besucht Karachi

Im März 2019 weilte unser Vorstand eine Woche lang in Karachi.

Stadtrundfahrt in Karachi

An der Maan Jee Welfare Secondary School

Besuch in allen Klassen und im Schulbüro
Besuch bei Frau Bilgrami

Lehrerinnen der MJWSS

Im Schuljahr 2020/21 unterrichteten 26 Lehrerinnen und die Schulleiterin an der MJWSS. Die Lehrerinnen sind zum großen Teil sehr jung, nicht selten werden sie direkt nach Abschluss der 10. Klasse angestellt.

An einer Universität kann man für den Lehrberuf sowohl die Bachelor- als auch die Masterprüfung able-gen. Teure Privatschulen stellen solches Lehrpersonal ein. Auch an der privaten MJWSS unterrichten vereinzelt ausgebildete Lehrerinnen. An kostenlosen staatlichen Schulen ist das Gehalt für LehrerInnen gering. So liest man immer wieder, dass Lehrer dort nicht zum Unterricht erscheinen. Um ihre Familien ernähren zu können, müssen sie einer anderen Arbeit nachgehen.

Der Schulleitung der MJWSS und FoMJS e.V. ist sehr daran gelegen, die Lehrerinnen durch Fortbildungen zu fördern, um die Qualität des Unterrichts zu erhöhen und den Lehrerinnen ein besseres Einkommen zu ermöglichen.

Abschlussklasse 2022 – Schülerinnen mit einigen Lehrerinnen

Elternversammlung in der Schule im Februar 2022 – Coronazeit